Altenhilfe und Quartiersentwicklung der Stadt Konstanz wollen im Stadtteil Paradies Nachbarschaft fördern durch das Erzählen von Nachbarschaftsgeschichten. Geschichten, die Nachbarn einander erzählen und sich auf diese Weise besser oder überhaupt erst kennenlernen. Im Seminar wird dieses Projekt Konturen annehmen, indem die Teilnehmer:innen lernen, zu erzählen und andere ins Erzählen zu bringen.
Ziel ist, am Ende des Semesters eine erste Sammlung von Nachbarschaftsgeschichten aus dem Paradies als Initialzündung des Projektes erstellt zu haben.


Wir Menschen sind, das spüren wir vielleicht im Zuge der Corona-Maßnahmen besonders deutlich, Beziehungswesen. Von unseren Beziehungen erzählen wir gern. Und diese Erzählungen wiederum spielen eine starke Rolle in der Stabilisierung eben dieser Beziehungen: „Weißt Du noch, damals ...“
Liebespaare können gar nicht genug kriegen von der erzählerischen Belebung des Moments ihres Kennenlernens: des Anfangs der gemeinsamen Geschichte.

Nicht erst im Kontakt zu anderen Menschen, sondern auch im Umgang mit uns selbst sind wir Erzählerinnen und Erzähler. Die Grundannahmen, die wir über uns haben - „Wenn ich diese Prüfung schaffe, werde ich eine erfolgreiche Karriere machen“ oder auch „Ich kann mich anstrengen, wie ich will, aus mir wird einfach nichts“ - sind narrative Atome, Bausteine, die uns helfen, unseren Platz in der Welt zu bestimmen, unsere Handlungen zu motivieren, unsere Entscheidungen zu prägen.

Noch die alltäglichste Beziehung lebt von Geschichten. Zu diesen Geschichten gehören gerade auch diejenigen über die Menschen, mit denen man zufällig Tür an Tür wohnt: Nachbarn. Nachbarschaften sind eine Keimzelle des Sozialen, gerade weil sie kaum auf standardisierte Verhaltensnormen zurückgreifen können. Oft kennt man sich gar nicht mehr, begegnet sich auf der Treppe, am Mülleimer, am Fahrradständer. Vielleicht leiht man sich eine Tüte Milch oder ein Ei.

Wie kriegt man es nun hin, mehr über diese Menschen zu erfahren, die uns nah und gleichzeitig völlig fremd sind? Wie wird aus dem Zufall einer Begegnung eine Geschichte zwischen Menschen, also mehr als Teile der Erzählungen der einzelnen, die einander getroffen haben?

Genau das wollen wir im Seminar miteinander üben.